Reisebericht Traumpfad München-Venedig
Alternativ steht der Reisebericht auch als PDF Datei zur Verfügung. Diese online Version wurde an einigen Stellen aktualisiert/korrigiert.Wie kommt man auf die Idee von München nach Venedig zu laufen und noch dazu über die Alpen? Seit vielen Jahren gehe ich regelmäßig in die Berge: Tagestouren, Klettersteige und Hüttentouren. Aber mehr als vier Wochen an einem Stück vom Marienplatz zum Markusplatz wandern? Gehört und gelesen habe ich schon oft von diesem Traumpfad, aber eine Umsetzung in die Realität bisher immer verdrängt, da es am erforderlichen Urlaub von vier bis fünf Wochen scheiterte. Eine Stückelung des Weges in fünf Etappen und über mehrere Jahre verteilt kommt für mich nicht in Frage. Der besondere Reiz an einem Weitwanderweg liegt nun einmal daran diesen an einem Stück zu begehen. In diesem Jahr stehen mir fünf Wochen zur Verfügung und damit war der Entschluss schnell gefasst.
Ludwig Grassler, der im Jahr 1974 den Weg erstmalig erkundet und begangen hat, hat als idealen Starttermin den 8.8. um 8 Uhr am Marienplatz festgelegt. Jedes Jahr treffen sich an diesem Termin Gleichgesinnte am Marienplatz und werden von Ludwig Grassler persönlich verabschiedet. Anmerkung: Ludwig Grassler ist am 22.8.2019 verstorben. Ich möchte gerne früher starten. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass Altschnee zu einem Problem werden kann. Nach reiflicher Überlegung entscheide ich mich für Sonntag den 13. Juli 2014. Natürlich nutzt man heute zur Recherche das Internet und dabei bin ich auf den DAV Summit Club gestoßen, der die Tour als geführte Tour anbietet (inkl. Gepäcktransport). Der DAV Summit Club startet am 13. Juli! Parallel mit 15 organisierten Wanderern laufen und eventuell auf die gleichen Schlafplätze spekulieren? Nein, danke. Also verlege ich meinen Starttermin einen Tag vor: Samstag, 12. Juli 2014. Über die Wahl des Verkehrsmittels zur Anreise nach München muss ich nicht lange nachdenken. Hier macht nur die Bahn Sinn. Rechtzeitig buche ich ein günstiges Ticket mit dem ICE nach München für 29 Euro.
Ganz wichtig für das Gelingen dieser Weitwanderung ist nicht nur die körperliche Fitness, sondern vor allem auch die richtige Wahl der Ausrüstung. Empfohlen wird ein 30 bis 50 Liter Rucksack, der nicht mehr als 8-10 kg wiegen sollte. Aus meiner langjährigen Erfahrung weiß ich, dass dieses Ziel nicht einfach zu realisieren sein wird! Ich lege als persönliche Obergrenze für mich 10 kg fest. Da ich alle Ausrüstungsgegenstände mit Gewichtsangaben in einer Datenbank verwalte, optimiere ich den Inhalt so lange, bis der Computer als Gesamtgewicht 9.964 Gramm ausrechnet – inklusive einem Liter Wasser. Beim Packen des Rucksacks gibt es noch kleine Anpassungen, so dass ich letztendlich bei knapp über 10 kg liege. Den Inhalt meiner Packliste habe ich 2014 bewertet und im März 2023 mit aktuellen Erkenntnissen ergänzt.
Wie orientiert man sich auf diesem Weitwanderweg? Gibt es brauchbare Literatur? Und wie sieht es mit Kartenmaterial aus? Ich suche einen handlichen Führer, der mir idealerweise das Kartenmaterial ersetzt und entscheide mich nach einer Internet Recherche für den Rother Wanderführer München-Venedig. Die darin enthaltenen Kartenausschnitte, die ausführlichen Beschreibungen, meine jahrelangen Erfahrungen in den Bergen und mein Orientierungssinn führen zu der Entscheidung, auf jegliches Kartenmaterial zu verzichten. Um es vorweg zu nehmen: die Entscheidung war richtig. Eine Karte hätte ich mir manchmal gewünscht, um den einen oder anderen Berg in der Umgebung zu bestimmen, nicht aber um den Weg zu finden.
Andere Weitwanderer laufen mit dem Bruckmann Wanderführer, wenige mit dem DuMont. Der Bruckmann Wanderführer enthält ungeeignete Kartenausschnitte (zu wenige Details). Auch die Wegführung unterscheidet sich an einigen Stellen und die Zeit- und Kilometerangaben weichen teilweise signifikant ab.
Wir haben auf dem Weg die beiden Wanderführer von Rother und Bruckmann regelmäßig verglichen und die Empfehlung geht klar in Richtung Rother. Hier ist zu beachten die Ausgabe Frühjahr 2014 zu nutzen. In der älteren Ausgabe wird z.B. noch das Spannaglhaus als Etappenziel geführt, aber übernachten kann man dort nicht mehr! Anmerkung März 2023: den Rother Wanderführer gibt es inzwischen in der 6. Auflage aus dem Jahr 2022
Samstag, 12. Juli 2014 – 1. Tag
Endlich geht es los. Mit der Bahn geht es über Würzburg nach München. Kurz vor 10 Uhr komme ich am Hauptbahnhof an, mit der S-Bahn ist der Marienplatz dann schnell erreicht.Der Zufall will es, dass mir bereits am Marienplatz Alex in das Bild läuft (weißer Rahmen).
"Offizieller" Start am Fischbrunnen. Noch frisch rasiert!
Warum soll man in den Fischbrunnen eine Münze werfen? Ich weiß es nicht, mache es aber trotzdem. Noch ein Selfie und um 10:19 Uhr startet das Abenteuer.
Der Himmel ist trüb und die Wetteraussichten sind nicht die besten. Es wäre auch vermessen zu erwarten vier Wochen bei besten Bedingungen unterwegs zu sein. Ich bin noch nicht am Isartor angekommen und es fängt an zu regnen. Also Rucksack absetzen, Regenüberzug darüber und mit Regenschirm weiterlaufen. Regenschirm? Richtig, seit einigen Jahren nutze ich einen sehr leichten Trekking Regenschirm. Diesen befestige ich so am Rucksack, dass ich noch mit Bergstöcken gehen kann. Auch unter den atmungsaktivsten Regenjacken fängt man schnell an zu schwitzen. Ich dagegen laufe mit T-Shirt und bleibe trocken – zumindest bis zu den Knien.
Kurz hinter dem Deutschen Museum überhole ich Alex. Ein kurzes Hallo, bei diesem Regen habe ich nicht groß Lust stehen zu bleiben.
Am Brückenwirt lege ich die erste Rast ein. Abhängig vom Wochentag ist hier der Teufel los, denn Floßfahrten auf der Isar sind ein tolles Freizeitvergnügen und alle Flösse legen am Brückenwirt einen Stopp ein:
Empfehlen kann ich das Lokal nicht. Ich werde in den hinteren Saal geschickt, da vorne alles belegt ist. Im Saal angekommen bin ich nicht willkommen, da ich nicht zu einem Floß gehöre. Ich darf mich dann doch setzen, aber keine Bedienung scheint für diesen Tisch zuständig zu sein. Jede Bedienung verweist auf eine andere. Letztendlich komme ich noch zu einer Leberknödelsuppe und einem Bier, bevor ich mich schnell wieder auf den Weg mache.
Die Wegbeschreibung im Rother Wanderführer ist wirklich sehr gut. Den sollte man auch immer griffbereit haben, da der Weg nicht durchgängig markiert ist. Mitten in der Isar liegt ein Felsblock aus Nagelfluhgestein, auf dem sich die Statue des Heiligen Georgs befindet:
Das regnerische Wetter lässt keine richtige Freude am Weg entlang der Isar aufkommen. Weiter geht es bis zum Kloster Schäftlarn. In der Klosterschänke trinke ich etwas. Am Nebentisch sitzen Alex und zwei junge Männer, die ich erst ein paar Tage später kennenlernen werde: Patrick und André.
Kurz bevor ich wieder aufbreche, kommt das Schweizer Ehepaar herein, das ich unterwegs schon getroffen habe. Sie haben bereits im Kloster Schäftlarn die erste Übernachtung gebucht. Nach meinen weiteren Erfahrungen an diesem Tag, halte ich dies für eine gute Entscheidung.
Der Weg nach Wolfratshausen zieht sich und die Fußsohlen fangen an zu brennen. Im Vorfeld der Tour habe ich lediglich die erste Übernachtung gebucht. Da ich in Wolfratshausen selbst keine Unterkunft gefunden habe, muss ich noch weiter nach Gelting in das Landhotel Alter Wirth. Nicht mehr voll konzentriert verpasse ich den direkten Weg und in Summe lege ich am ersten Tag mehr als 37 km zurück. Meine Fußsohlen danken dies mit großen Blasen.
Zum Abendessen kommen mein Sohn und seine Freundin dazu und nach einer ordentlichen Stärkung schauen wir uns gemeinsam das WM Fußballspiel um den dritten Platz an.
Sonntag, 13. Juli 2014 – 2. Tag
Es regnet. Mit schmerzenden Fußsohlen schleppe ich mich zum Frühstück. Kann ich damit weiterlaufen? Die zweite Etappe ist mit 28 km angegeben. OK, ich bin schon in Gelting, also werden es zwei bis drei Kilometer weniger sein. Erst lasse ich mir das gute und reichhaltige Frühstück schmecken.Die Blasen an den Fußsohlen sind gut gefüllt und ich entscheide mich, diese aufzustechen und mit Blasenpflastern abzukleben (auch wenn es so große Blasenpflaster nicht gibt). Um 9:41 Uhr mache ich mich endlich auf den Weg. Glücklicherweise hat es aufgehört zu regnen. Ich bewege mich noch abseits der Route und muss mir Richtung Isar einen eigenen Weg suchen, was sich als nicht ganz einfach herausstellt. Der direkteste Weg führt an einem Hof vorbei. Hundegebell kündigt an, dass ich hier nicht willkommen bin. Quer über die Weide schaffe ich es dann an die Isar. Solange ich in Bewegung bin, sind die Schmerzen auszuhalten. Nach einer kurzen Rast ist das Weitergehen allerdings fast wieder unerträglich.
An der Tattenkofener Brücke lege ich eine 45 minütige Pause ein. Wenn es hier eine Unterkunft gäbe, würde ich mich sofort einquartieren. Ich habe noch nicht einmal die Hälfte des Tagespensums geschafft. Also Zähne zusammenbeißen und weiter.
Nach dem Seidlkreuz führt mich der Wanderführer über Rimslrain auf dem Höhenrücken Richtung Wolfratshausen – der schönen Aussicht wegen. Von wegen Aussicht! Nichts sehe ich von den Bergen. Zwischenzeitlich regnet es wieder und die Teerstraßen sind neues Gift für die geschundenen Fußsohlen. Ich krieche wie ein alter Mann die Fahrstraße entlang. Hätte ich doch den Naturpfad an der Isar entlang genommen.
Pause. Kurze Erholung, auch wenn es mir schon wieder von dem Weiterweg graut. Ich habe noch kein Quartier für heute Nacht und in Bad Tölz auf die Suche gehen will ich meinen Füßen nicht zumuten. Anruf bei der ersten Empfehlung im Rother Wanderführer: Gästehaus Rosl. Ja, ein Einzelzimmer gibt es noch, allerdings nur noch mit Dusche/WC auf dem Flur. Egal, Hauptsache ein Bett. Telefonisch erhalte ich einen Pin Code, mit dem ich den Schlüssel am Eingang in Empfang nehmen kann. Um 18 Uhr treffe ich ein, aber der Pin funktioniert nicht. An der Haustüre hängt eine Handynummer. Ich rufe an und es klingelt hinter der Türe. Die Kollegin hat vergessen, den Schlüssel zu hinterlegen. Die Überraschung: es steht noch ein Einzelzimmer mit Dusche/WC zur Verfügung und das auch noch im Erdgeschoss.
Nach einer heißen Dusche sieht die Welt schon wieder freundlicher aus. Ich ruhe mich etwas aus und folge dann dem Hungergefühl, da ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen habe. Mühsam schleppe ich mich Meter für Meter durch das Kurviertel in Bad Tölz und steuere das erste Lokal an, das ich finde, die Gaststätte Jadran mit kroatischer Küche. Der Ober weist mir einen Tisch zu. Am Nachbartisch sitzt ein bekanntes Gesicht, das ich bereits in München am Deutschen Museum und in Schäftlarn gesehen habe: Alex. Spontan setze ich mich zu ihm und wir unterhalten uns angenehm. Alex kämpft ebenfalls mit Fußproblemen und überlegt, drei oder vier Tage in Bad Tölz zu bleiben. Erst einmal hat er für zwei Tage ebenfalls im Gästehaus Rosl ein Zimmer gebucht und mir damit die Erklärung geliefert, dass das Einzelzimmer mit Dusche und WC frei geworden ist (er hätte sonst am zweiten Tag umziehen müssen).
Es läuft das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft, Deutschland gegen Argentinien. Alex ist an Fußball nicht interessiert und geht in der Halbzeitpause zurück ins Quartier. Im Laufe der zweiten Halbzeit leert ich das Lokal vollständig und ich komme mir fehl am Platz vor. Jetzt noch eine Public Viewing Lokation zu suchen kann ich meinen Füßen nicht zumuten, also schleppe ich mich auch zurück in mein Zimmer und schaue das Endspiel auf einem homöopathisch kleinen Fernseher – Schade eigentlich. Bei der Planung der Tour hatte ich die WM überhaupt nicht auf dem Radar.
Montag, 14. Juli 2014 – 3. Tag
Gut habe ich geschlafen und freue mich auf das Frühstück, das reichlich am Büffet auf uns wartet. Alex bleibt erst einmal in Bad Tölz und spielt mit dem Gedanken neue Schuhe zu kaufen. Auf jeden Fall muss das Blasenpflaster Depot aufgefüllt werden. Werden wir uns auf dem Weg noch einmal wiedersehen?Ich schultere meinen Rucksack und mache mich auf den Weg nach Lenggries. Wie weit werde ich kommen? Zumindest hat sich das Wetter gebessert, es ist sonnig. Langsam komme ich voran, die Fußsohlen schmerzen immer noch, aber zum Glück haben sich die Blasen nicht entzündet und die compeed Blasenpflaster scheinen zu helfen. Kurz vor der Mittagszeit komme ich in Lenggries an der Brücke an und setze mich in den Biergarten der Pizzeria Luna Piena – Einstimmung auf Italien. Die Linguine mit Scampi sind sehr lecker. Das Bier und die wärmende Sonne lassen den Weg schon wieder viel positiver aussehen. Trotzdem beschließe ich, an diesem Tag nicht weiterzugehen und den Füßen eine Erholungspause zu gönnen.
Auch hier folge ich dem Rother Wanderführer und niste mich im Gästehaus Heiß ein. Ein Dusche/WC Einzelzimmer mit Frühstück für 35 Euro ist fair und kurz nachdem ich eintreffe geht ein Regenschauer über Lenggries nieder. Schon bald lässt sich die Sonne wieder blicken und im sehr schön gelegenen Biergarten Dorf Schänke lasse ich mir das ein oder andere Bier schmecken – zu essen brauche ich heute nichts mehr. Auch das Schweizer Ehepaar, das ich im Kloster Schäftlarn das letzte Mal gesehen habe, hat den Biergarten gefunden. Sie wollen morgen mit der Brauneck Bergbahn hochfahren und in Hinterriß übernachten.
Dienstag, 15. Juli 2014 – 4. Tag
Die Entscheidung, am Vortag nur bis nach Lenggries zu laufen, war richtig. Gut ausgeruht und vom Frühstück gestärkt, breche ich in Richtung Brauneck auf. Natürlich zu Fuß. Mein klares Ziel: keine Hilfsmittel wie Bergbahn oder Bus benutzen. Es ist stark bewölkt mit ersten Lücken in den Wolken. Ab heute soll es angeblich besser werden. Leider hält sich das Wetter nicht an den Wetterbericht. Gleich hinter der Brauneck Talstation muss ich auf Regen umrüsten. Monoton geht es die steile Skipiste hoch zum Brauneck Gipfelhaus, das heute Ruhetag hat. Ungewöhnlich für eine Alpenvereinshütte, aber zumindest wusste ich es vorher. Unter dem Raucher Pavillon pausiere ich 40 Minuten bevor es über den Brauneck Gipfel Richtung Benediktenwand geht. Bei schönem Wetter hat man auf dem Höhenweg eine herrliche Aussicht, allerdings muss ich diese aus den Erinnerungen früherer Begehungen abrufen. Heute ist die Sicht gleich Null.Am Feichtecksattel heißt es sich zu entscheiden: über die etwas anspruchsvolleren Achselköpfe (Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich) oder 200 Höhenmeter absteigen und im Gegenanstieg wieder zum Rotöhrsattel. Ich wähle den abwechslungsreichen Weg über die Achselköpfe. Der Regen der letzten Tage hat die Pfade teilweise in unangenehme, schmierige Matschwege verwandelt und das Profil der Bergschuhe hat sich zugesetzt. Da heißt es doppelt aufpassen. Die Bergstöcke sind in diesem Fall eine große Hilfe. An die verschlammten Wege werde ich mich die nächsten Wochen gewöhnen müssen.
Vom Rotöhrsattel erreicht man die Tutzinger Hütte normalerweise in 45 Minuten, wenn es da nicht ein Hindernis gäbe: eine Steinbockherde blockiert den Weg zur Hütte:
Als ich später den Hüttenwirt frage, wie man sich in diesem Fall am besten verhält, erhalte ich eine knappe Antwort: „Pause“! Diese Pause nutze ich gerne, um diese prachtvollen Tiere zu bewundern, zu fotografieren und zu filmen. Irgendwann möchte ich dann doch zur Hütte und umgehe die Steinböcke auf weglosem Gelände.
Die Tutzinger Hütte ist herrlich gelegen und bietet eine heiße Dusche, ohne die sonst übliche, kostenpflichtige Duschmünze. Es wird Zeit, die ersten Shirts und Socken zu waschen – ein Vorgang, der sich die nächsten Wochen noch oft wiederholen wird. Das Wetter hat sich gebessert und so sitze ich am Nachmittag im Freien mit herrlichem Blick auf die Benediktenwand. Ich lasse mir gerade ein Bier schmecken, als Alex freudestrahlend auftaucht.
Gespräche mit anderen Hüttenbesuchern lassen schnell erkennen, dass wir nicht alleine auf dem Weg von München nach Venedig sind. Vor dem Abendessen rufe ich noch im Gasthof Post in Vorderriß an, um ein Bett für den nächsten Tag zu reservieren.
Es ist schon nach 22 Uhr als der Hüttenwirt auf der Terrasse zu musizieren beginnt. Ich liege bereits im Schlafsack und genieße die Klänge.
Mittwoch, 16. Juli 2014 – 5. Tag
Wow! Blauer Himmel, allerdings ist es zum Frühstücken im Freien noch zu kalt. Kurz nach 7:30 Uhr geht es los. Gegen 9 Uhr erreichen wir einen schönen Bachlauf, der zu einer Rast einlädt. Hier treffen wir erstmals auf Lara, Eva und Vroni. Drei Mädels, die sich über das Internet gefunden haben und gemeinsam in Lenggries gestartet sind. Die ersten Wolken ziehen auf, es bleibt aber den ganzen Tag warm und freundlich. Wenig später erreichen wir einen netten Wasserfall.Zur Mittagszeit erreichen wir die Ortschaft Jachenau. Hier ist sicherlich der kleine, aber gut sortierte Dorfladen erwähnenswert (Hinweis: Mittagspause von 12:30 bis 15 Uhr), um sich mit Getränken und Obst einzudecken.
Kurz vor der Jachenau überholen wir den Barfußgeher Ralph, der den kompletten Weg von München nach Venedig ohne Schuhwerk bewältigen will. Ziel der Aktion: „Es ist ein Feldzug mit dem Ziel, den Menschen das Recht auf einen freien Zugang zu sauberem Wasser zu erhalten oder wieder herzustellen. Damit möchte er ein Zeichen setzen für den freien Zugang und gegen die Privatisierung von Wasserrechten. Sauberes Wasser hat für jedermann und jederfrau sozial verträglich zugänglich zu sein.“ (Quelle: www.water4life.info).
Auf dem Weiterweg zum heutigen Etappenziel Vorderriß kommt man noch an zwei Almen vorbei. An der idyllisch gelegenen Lainer Almen werden wir freundlich begrüßt und stillen unseren Durst. Ein Musiker oberhalb der Alm entlockt seiner Trompete einige Musikstücke, die weit in die Bergwelt hinein verhallen.
Vom Rißsattel geht es steil bergab nach Vorderriß. Über 440 Höhenmeter müssen nochmals überwunden werden. Im Gasthof Post beziehen wir das Matratzenlager im Nebengebäude.
Matratzenlager im Nebengebäude links
Es ist sehr eng und die Lüftungsmöglichkeiten sind begrenzt. Nach der eigenen Körperpflege werden durchschwitzte Kleidungsstücke gewaschen und im Freien an der Wäscheleine aufgehängt. Heute bewährt es sich das erste Mal, dass ich auch Wäscheklammern eingepackt habe.
Im Biergarten verbringen wir einen sehr schönen, lauen Sommerabend bei gutem Essen (selten habe ich einen so guten Krustenbraten bekommen) und reichlich Getränken. Inzwischen hat sich auch Jana zu uns an den Tisch gesellt und viele Gesichter von der Tutzinger Hütte sind auf die übrigen Tische verteilt. Auch der Barfußgeher Ralph taucht später noch auf und ich führe ein sehr angenehmes Gespräch mit ihm. Nicht nur, dass er auf Schuhwerk verzichtet, er übernachtet auch noch im Freien! Wir versuchen, unsere Bedienung dazu zu überreden, die Mädels am nächsten Tag nach Hinterriß zu fahren. Hätte der Gasthof nicht am nächsten Tag Ruhetag, hätte er dies sicherlich gerne getan.
Kurz vor 22 Uhr werden wir aus dem Biergarten geworfen, der Wirt will den Gasthof abschließen. Wir sind nicht auf einer Berghütte mit satzungsgemäßer Hüttenruhe, sondern in einem Gasthof. Hier ist es schon verwunderlich, dass wir den milden Abend nicht länger genießen können. Ich bin noch nicht müde. Vor dem Nebengebäude setze ich mich auf eine Bank und bereite mich mit der Stirnlampe auf die folgenden Tagesetappen vor.
Donnerstag, 17. Juli – 6. Tag
Das Lager mit Frühstücksbüffet im Gasthof ist mit 22 Euro preiswert. Alex und ich starten kurz nach 8 Uhr. Der Rest will sich die unattraktive Etappe auf der Teerstraße nach Hinterriß schenken und mit dem Bus oder Trampen zurücklegen. Mein Ziel ist nach wie vor klar: jeden Meter zu Fuß! Nach gut zwei Stunden erreichen wir Hinterriß und pausieren im Biergarten. Eigentlich wollte ich die Busfahrer filmen, aber der Bus hat Verspätung und wir machen uns auf den Weg. Über das Johannestal kommen wir zum idyllischen, kleinen Ahornboden. Nach einer kurzen Rast am Herrmann von Barth Denkmal müssen nochmals 370 Höhenmeter überwunden werden und um 15:18 Uhr erreichen wir das Karwendelhaus.Das Karwendelhaus bietet fast 200 Schlafplätze und wir sind im 3. Stock im großen Matratzenlager untergebracht. Inzwischen sind auch Patrick und André zu uns gestoßen und so verbringen wir einen sehr unterhaltsamen Abend in der Hütte.
Am nächsten Tag steht eine lange, anspruchsvolle Etappe an: das Schlauchkar und die Birkarspitze. Wie werden die Verhältnisse sein? In der letzten Woche lag noch so viel Schnee (inkl. Neuschnee), dass von einer Begehung abgeraten worden ist. Auf jeden Fall möchte ich früh starten, spätestens um 6 Uhr. Frühstück gibt es erst um 7 Uhr und der Hüttenwirt ist auch nicht bereit, ein Thermofrühstück vorzurichten. Er bietet lediglich Lunchpakete an, die am Vorabend gekauft werden müssen. Mein Frühstück wird aus einem Mars bestehen. Morgen werden wir zu acht starten, denn ich konnte auch Jana, Lara, Eva, Vroni, Alex, Patrick und André davon überzeugen, um 6 Uhr zu starten.
Freitag, 18. Juli 2014 – 7. Tag
Alle sind pünktlich und bei traumhaftem Wetter starten wir um 6 Uhr zu dieser eindrucksvollen Etappe. Bis auf ein kleines Schneefeld ist das Schlauchkar inzwischen schneefrei.Von links: Alex, Jana, Vroni, Patrick, Eva, Lara und André
Nach ca. 2,5 Stunden (leider hat mein GPS Logger an diesem Tag versagt) erreichen wir den Schlauchkarsattel auf 2.620 m. Das Wetter ist einfach traumhaft und es lohnt sich bei diesen Bedingungen die Birkarspitze 2.749 m zu besteigen. Einige Passagen sind seilversichert, sind aber bei trockenem Fels problemlos zu begehen. Natürlich brauchen wir vom Gipfel ein Erinnerungsfoto:
Der Abstieg vom Schlauchkarsattel ist lang und nicht ungefährlich. Viele Stellen sind mit Trittbügeln und Stahlseilen gesichert, aber die Schäden vom letzten Winter sind noch nicht vollständig beseitigt und man darf auf die Seile nicht blind vertrauen. Wir befinden uns am Fuß der Schwierigkeiten als ein anderer Wanderer oben in der Wand Steinschlag auslöst, der genau in unsere Richtung unterwegs ist. Gewarnt von einem Bergführer, der sich auch im Abstieg befindet, pressen wir uns an die Wand. Der sehr große Stein schlägt ein ganzes Stück oberhalb nochmals auf und zerspringt in tausend Einzelteile. Ein Stein trifft leider Alex am Oberschenkel und dem Finger. Zum Glück keine ernsthafte Verletzung. Das hätte übel ausgehen können.
Mit dem Verursacher habe ich später gesprochen. Er hielt sich an dem Felsen fest, als sich der Stein löste und durch das Eigengewicht nicht mehr zu halten war. Warum er aber keinen Schrei von sich gab, um uns zu warnen und warum er sich nie bei Alex entschuldigt hat (wir haben ihn immer wieder getroffen), wird sein Geheimnis bleiben.
Die Situation war höchst gefährlich, das braucht man nicht beschönigen. Ein gewisses Restrisiko in den Bergen hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Nachdenklich stimmen solche Schrecksekunden allerdings schon.
Den Abstecher zur Kastenalm auf 1.220 m lassen wir uns nicht entgehen. Erstmalig in den sieben Tagen der Wanderung suche ich den Schatten. Wer mich kennt, weiß, was das bedeutet.
Nach dem Stillen des Durstes genieße ich einen genialen Mohnkuchen mit einem Kaffee. Erst nach zwei Stunden entscheiden wir uns die letzte Etappe vom heutigen Tag anzugehen, den Aufstieg zum Hallerangerhaus. Jana hat auf der Halleranger Alm gebucht, die ein paar Minuten entfernt ist, will aber nach dem Abendessen noch einmal vorbeischauen.
Die einzigartige Lage dieser etwas kleineren Hütte verbunden mit den angenehmen Temperaturen auf der Terrasse und dem traumhaften Ausblick in die Bergwelt (inkl. Sonnenuntergang par excellence) werden uns lange in Erinnerung bleiben. Kurz vor der Hüttenruhe kommt Jana und wir genießen noch ein paar Absacker. Um 23 Uhr bekomme ich keinen Nachschub mehr und es bedarf weiblicher Überredungskunst eine letzte Runde zu erhalten.
Samstag, 19. Juli 2014 – 8. Tag
Wie die Zeit vergeht! Vor einer Woche bin ich in München gestartet und weitere drei Wochen liegen vor mir. Inzwischen haben sich die Füße mit den neuen Schuhen arrangiert und die Blasen spüre ich nicht mehr. Ich fühle mich top fit und bin fest davon überzeugt Venedig zu Fuß zu erreichen.Der Morgen erwacht, wie der Abend geendet hat. Ein wolkenloser, klarer Himmel kündigt einen Schönwettertag an. In der Morgenkühle und im Schatten steigen wir zum Lafatscherjoch auf (ca. 300 Höhenmeter). Die erste Gämse kreuzt unseren Weg. Dann steht wieder ein langer Abstieg nach Hall in Tirol an. 1.500 Höhenmeter müssen überwunden werden. Gegenüber dem Abstieg von dir Birkarspitze lassen sich die Höhenmeter gut bewältigen. Empfehlenswert ist der Abstieg über den Hirschbadsteig. Nicht nur dass er etwas kürzer ist als der Weg über die Herrenhäuser, vor allem durchquert er ein üppiges Blumenmeer.
In St. Magdalena legen wir eine Pause ein. Auch wenn wir unfreundlich bedient werden, kann ich hier den besten Apfelstrudel meiner Reise genießen. Wir treffen Vroni, die sich inzwischen einer anderen Gruppe angeschlossen hat. Obwohl 30 Minuten vor uns gestartet, kommen sie nach uns in St. Magdalena an, da sie den Weg über die Herrenhäuser gewählt haben.
In Absam und Hall selbst stehen dann wieder einmal 3 km Teerstraße an. Der Rother Wanderführer empfiehlt den Bus, der für mich aber tabu ist. Im Supermarkt unterwegs gibt es erst einmal etwas zu trinken und frisches Obst.
Dann macht es sich der Rother Wanderführer noch einfacher: mit dem Bus weiter nach Tulfes und mit der Gondel die verlorenen 1.500 Höhenmeter wieder hoch auf 2.020m. Kommt natürlich nicht in Frage. Das Problem: an diesem Tag noch bis zur Glungezer Hütte? Nein, das ist definitiv zu viel. Außerdem ist die Glungezer Hütte sowohl heute als auch morgen ausgebucht und auch das Wetter soll schlechter werden. Also muss eine Alternative her. In Hall übernachten? Höchstens als Notlösung. Der Wanderführer beschreibt eine Allwetter-Variante zur Voldertalhütte und damit steht das nächste Ziel fest. Lara und Eva wollen auch in der Voldertalhütte übernachten, sind aber schon eine Stunde vor uns gestartet, um in Hall nach einkaufen zu können. Immerhin ist es Samstag und die Geschäfte schließen zur Mittagszeit.
In Hall treffen wir auf Ilse und Jens, die auch auf dem München-Venedig Weg unterwegs sind, jedoch nur bis in das Pustertal wollen. Nach einem kurzen Plausch packen wir die unattraktive Strecke nach Tulfes an. Es ist sehr heiß und der Weg nicht einfach zu finden. Immer wieder müssen wir den Wanderführer zu Rate ziehen. Man sieht schon die ersten Häuser von Tulfes und wir müssen wieder absteigen. In Tulfes selbst – Alex hat schon lange wieder Hunger – hat kein Lokal am Weg geöffnet. Aber wir kommen ja noch am Gasthof-Pension Windegg vorbei. Wieder auf einer unangenehmen Teerstraße. Endlich in Windegg angekommen ist der Gasthof geschlossen. Das kalte in Hall gekaufte Wasser hat im Rucksack inzwischen Badewassertemperatur angenommen und schmeckt scheußlich. Wir sitzen auf den Treppenstufen der Pension als unerwartet die Wirtin vorbeikommt und uns fragt, ob wir etwas trinken wollen. Und ob wir wollen! Dabei erfahren wir, dass nur noch der Pensionsbetrieb besteht. Die Gastwirtschaft wurde schon vor vielen Jahren aufgegeben.
Kapelle gegenüber der Pension in Windegg
Bis zur Voldertalhütte brauchen wir noch eine Stunde. Lara und Eva warten schon. Sie hatten sich schon Sorgen gemacht. Inzwischen ist es schon kurz vor 18 Uhr, aber wir wollten ja jeden Meter zu Fuß gehen. Erstaunlicherweise ist die Voldertalhütte fast leer. Im Matratzenlager für 18 Personen sind wir nur zu viert und nur vier weitere Gäste haben den Weg zur Hütte gefunden – und das an einem Samstag bei bestem Wetter. Das Abendessen können wir noch im Freien zu uns nehmen. Bei Lara kündigt sich eine Erkältung an und sie geht gefrustet früh ins Lager.
Voldertalhütte
Sonntag, 20. Juli 2014 – 9. Tag
Heute stehen erst einmal 1.100 Höhenmeter Aufstieg zum Naviser Jöchl (2.479 m) an. Noch ist das Wetter gut, aber die Schleierwolken kündigen das Schlechtwetter bereits an. Lara fühlt sich nicht gut und sie will sich mit Eva viel Zeit für die heutige Tagesetappe lassen. Um 8 Uhr verlassen wir die Hütte. Vorbei an einer kleinen, sehr idyllischen Ansiedlung (Dörfl) passieren wir die Vorbergalm bevor wir nach 1,5 Stunden die Steinkasernalm auf 2.002 m erreichen. In einem Brunnen stehen gekühlte Getränke zur Selbstbedienung bereit. Diese Gelegenheit nutzen wir natürlich gerne.Am Naviser Jöchl angekommen sehen wir die Zillertaler Alpen das erste Mal, allerdings im Dunst. Immerhin besser als die Sicht in den kommenden Tagen. Wir werden Olperer und andere namhafte Gipfel nicht mehr sehen. Weiter geht es auf dem Weg Via Alpina Richtung Lizumer Hütte. Die nächsten zwei Stunden sind wir meistens auf geschotterten Fahrwegen unterwegs. Immerhin befinden wir uns im militärischen Sperrgebiet. Reichlich Hinweisschilder und Unterstände rufen diese Tatsache immer wieder in Erinnerung. Gerade für die Etappe am nächsten Tag sollte man sich über Sperrungen wegen Schießübungen auf der Hütte erkundigen!
Kurz nach 13 Uhr erreichen wir die Lizumer Hütte. In das Lager darf man aber erst ab 15 Uhr. Wir sitzen auf der Terrasse und bestellen etwas zu trinken. Dabei machen wir Bekanntschaft mit dem unfreundlichsten Hüttenwirt, der mir jeweils auf meinen unzähligen Hüttenübernachtungen begegnet ist. Zwei Stunden später treffen auch Lara und Eva ein. Lara geht es noch schlechter.
Lizumer Hütte 2.019 m
Ich nutze die Zeit für die Planung der nächsten Tage. Die Wetteraussichten für Dienstag sind ganz schlecht, für Mittwoch soll gegen Mittag kurz die Sonne herauskommen. Für die Friesenbergscharte, die eigentlich am Dienstag ansteht, braucht es aber gutes Wetter. Also beschließe ich, auf der Lizumer Hütte einen Ruhetag einzulegen. Lara, Eva und Alex schließen sich meiner Entscheidung an.
Montag, 21. Juli 2014 – 10. Tag
Den Wecker habe ich mir um 6:15 Uhr gestellt, aber wie jeden Tag bin ich schon vorher wach. Die Hüttennächte sind einfach zu lang. Es ist noch trocken, aber ich bleibe bei meiner Entscheidung einen Ruhetag einzulegen. Nach dem Frühstück leert sich die Hütte recht schnell. Auch der DAV Summit Club geht weiter – immerhin gilt es bei dieser Gruppe einen festen Plan einzuhalten. Flexibel auf Wetter, Kondition oder Unpässlichkeiten zu reagieren ist da nicht drin. Vroni hat nicht so viel Zeit und geht ebenfalls weiter. Über SMS werden wir am Abend erfahren, dass bedingt durch Regen, Nebel und viel Altschnee der Weg zur Friesenbergscharte nicht gefunden wurde und ein Abstieg nach Mayrhofen und Umfahrung mit dem Bus erforderlich war!Schon bald setzt Regen ein und die Außentemperatur sinkt kontinuierlich von 12 auf 8 Grad. Später ziehe ich in ein 4er Lager um. Im Laufe des Tages stoßen Jana, Patrick und André wieder zu uns, die im Tal einen Ruhetag eingelegt haben. Das Essen auf der Hütte ist sehr gut und den unfreundlichen Hüttenwirt muss man soweit es geht einfach ignorieren. Dafür ist seine taiwanesische, Englisch sprechende Frau sehr freundlich. Bemerkenswert ist der Hüttenhund: eine 78 kg (!!!) schwere, übergewichtige Bordeaux Bulldogge.
Den Ruhetag nutzen wir zum Essen, Karten Spielen und Klettern an der Indoor Kletterwand:
Die Speisekarte gilt nur bis 17 Uhr. Ab 18 Uhr gibt es dann entweder Halbpension oder Bergsteigeressen. Das muss man akzeptieren, nicht verstehen.
Dienstag, 22. Juli 2014 – 11. Tag
Auch heute klingelt der Wecker um 6:15 Uhr, aber bereits um 5 Uhr habe ich ausgeschlafen. Es ist trocken, jedoch stark bewölkt. Das Thermometer zeigt 9 Grad an. Pünktlich um 7 Uhr gibt es Frühstücksbüffet und eine halbe Stunde später starten wir zu einer nicht so langen Etappe. Das hängt damit zusammen, dass das eigentliche Etappenziel – das Spannagelhaus – im Jahr 2013 an die Zillertaler Gletscherbahnen verkauft worden ist. Das alte Spannagelhaus wurde zwischenzeitlich abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, der keine Übernachtungsmöglichkeiten mehr anbietet.Der Nebel und die kühlen Temperaturen treiben uns am Geierjoch weiter. Um 11 Uhr setzt für 30 Minuten wieder einmal Regen ein. Ohne Pausen geht es zum Tuxer-Joch-Haus, das wir schon um 12:12 Uhr erreichen. Keine sehr schöne Hütte. Das Tuxer-Joch-Haus lebt hauptsächlich von den Skifahrern im Winter. Es gibt einen Schuhtrockner und damit die Hoffnung, am nächsten Tag mit trockenen Bergschuhen zu starten. Die Dusche ist bei dieser nasskalten Witterung besonders angenehm und der Gastraum wohltuend warm. Zwischen 16 und 18 Uhr gibt es nichts zu essen und alle Bestellungen an der Theke müssen sofort bezahlt werden. Das haben andere Hütten wesentlich besser und einfacher gelöst.
Tuxer-Joch-Haus 2.316m
Mittwoch, 23. Juli 2014 – 12. Tag
Natürlich bin ich auch heute wieder lange vor dem Wecker wach. An die Standard Frühstückszeit von 7 Uhr gewöhnt man sich langsam und um 7:37 Uhr kommen wir los. Auf dem Weg zum Spannagelhaus regnet es wieder zeitweise. Was soll’s. Irgendwie stört es nicht mehr. Das neu erbaute Spannagelhaus ist erst wieder ab November geöffnet, also steigen wir zum Tuxerferner Haus (2.660 m) auf. In der neuen Bar mit Kamin, in dem ein Holzfeuer lodert, wärmen wir uns auf und trinken Kaffee und Tee. Ein Dyson Airblade in den Sanitärräumen eignet sich hervorragend zum Trocknen des T-Shirts und anderen Kleidungsstücken.Nachdem wir 1,5 Stunden im Tuxerferner Haus verbracht haben, reißt die Wolkendecke tatsächlich auf und wir können die Friesenbergscharte in Angriff nehmen. Die Skifahrer auf dem Gletscher sind irgendwie befremdlich. Wir verlassen schnell die Skiarena und steigen wieder zum Spannagelhaus ab. Erst am nächsten Tag erkennen wir in einer Karte einen alternativen Weg direkt ab dem Tuxerferner Haus.
Immer wieder sind Schneefelder zu überqueren. An manchen Stellen ist Vorsicht geboten. Der Altschnell wird teilweise von Tauwasser ausgehöhlt und es bilden sich Brücken, die irgendwann unter der Belastung einbrechen können.
Mit Orientierungssinn ist die Friesenbergscharte bei entsprechender Sicht gut begehbar. Im oberen Teil muss man in den Schneefeldern gelegentlich nach Markierungen in den Felsen suchen. Der Schnee ist nicht gefroren und ohne Grödeln gut machbar. Aus Gewichtsgründen hatte ich die Grödeln eh aus dem Rucksack verbannt.
Friesenbergscharte 2.904 m (roter Pfeil)
Leider stecken wir an der Friesenbergscharte in Wolken und haben keine Sicht. Der Abstieg nach Süden ist steil und teilweise seilversichert, allerdings komplett schneefrei. Trittsicherheit im oberen Teil ist absolut erforderlich. Den Friesenberg See und die Friesenberg Hütte (eine Alternative für die Übernachtung) lassen wir links liegen. Auf dem Weg sehen wir immer wieder Murmeltiere, die sich inzwischen an die Bergwanderer gewöhnt haben. Kurz vor der Olperer Hütte überquert man den Bach auf einer kleinen Hängebrücke.
Im Jahr 2007 wurde die Olperer Hütte komplett aus Holz neu gebaut und entspricht in allen Belangen den neuesten ökologischen Gesichtspunkten. Ein echtes Highlight ist das große Panoramafenster im Aufenthaltsbereich über die gesamte Hütten-breite mit einer traumhaften Aussicht auf die Zillertaler Bergwelt (z.B. Großer Mößeler) – gute Sicht vorausgesetzt. Die auf 2.389 m gelegene Hütte wird mit Hubschrauber versorgt. Dafür sind ca. 100 Flüge an fünf bis sechs Terminen erforderlich (ca. 75 Tonnen und Kosten in Höhe von 15.000 Euro).
Olperer Hütte 2.389 m
Donnerstag, 24. Juli 2014 – 13. Tag
Kurz vor 6 Uhr bin ich schon vor der Hütte, schaue nach dem Wetter und fotografiere. Kein perfektes Wetter, aber inzwischen bin ich auch mit leichter Bewölkung und etwas Sicht zufrieden. Mit Alex frühstücke ich. Von den anderen ist nichts zu sehen – Ausschlafen scheint angesagt zu sein. Wir beschließen daher alleine zu starten.Die Zeitangaben für den Weg zum Pfitscherjoch sind sehr unterschiedlich. Der Rother Wanderführer gibt vier Stunden an, der Bruckmann lediglich zwei, wir brauchen drei. Kurz vor dem Pfitscherjoch Haus überschreiten wir die Grenze von Österreich nach Italien.
am 13. Tag in Italien angekommen
Das Pfitscherjoch Haus - die älteste private Schutzhütte Südtirols – wurde erst 2012 grundlegend umgebaut und erweitert, besitzt aber keinen Charme. Der Self Service Bereich erinnert eher an eine Skihütte und die Freundlichkeit des Personals lässt zu wünschen übrig.
Pfitscherjoch Haus 2.276 m
Wir trinken nur etwas und steigen dann nach Stein ab. Der kleine Weiler mit wenigen Häusern und einer stark renovierungsbedürftigen Kapelle bietet nur zwei Übernachtungsmöglichkeiten, den Gasthof Stein und die Pension Bartlhof.
Im Gasthof Stein essen wir zu Mittag bevor wir unser Zimmer im Bartlhof beziehen. Hier scheint die Zeit schon Jahrzehnte stehengeblieben zu sein. Die alten Zimmer mit durchgelegenen Matratzen bieten nur ein Waschbecken, Gemeinschaftsdusche mit lauwarmem Wasser und Toilette befinden sich auf dem Flur. Auch das Frühstück am nächsten Morgen wird nicht überzeugen. Dafür zahlen wir dann 30 Euro pro Person – natürlich ohne Anmeldung und Rechnung.
Im Laufe des Tages treffen auch Jana, Lara, Eva, Patrick und André ein, mit denen wir im rustikalen Gasthof Stein einen sehr netten Abend verbringen. Natürlich probieren wir auch wieder den ein oder anderen Schnaps. Eva hat Schmerzen im Fuß und bevor wir zu Bett gehen, kommt Patrick in den Bartlhof, um Eva den Fuß zu tapen. Als er wieder in den Gasthof zurück will, ist dieser bereits abgeschlossen. Da André nicht auf einen Telefonanruf reagiert, bleibt Patrick nichts anderes übrig, als im Gasthof zu klingeln.
Freitag, 25. Juli 2014 – 14. Tag
Frühstück gibt es erst ab 7:30 Uhr und für vier Personen gibt es kaum Wurst und Käse. Wir bezahlen und verlassen die nicht empfehlenswerte Pension kurz vor 8 Uhr. Kurz folgen wir dem Fahrweg, bevor wir diesen in der ersten Kehre auf einem kleinen Pfad verlassen. Die Abkürzung ist im Rother Wanderführer eingezeichnet, verwunderlich ist nur, dass der Weg nicht markiert ist. Umgefallene Bäume erschweren das Weiterkommen bevor der Weg im Nichts endet. Steil kämpfe ich mich im unwegsamen Gelände Richtung Straße und treffe nach wenigen Minuten auf einen Pfad. Patrick und Andre probieren eine Variante, müssen aber auch aufgeben.Es stehen 900 Höhenmeter Aufstieg zur Gliderscharte (2.644 m) an. Das Wetter ist schön, die Landschaft mit dem Blumenmeer traumhaft und mit meiner Lieblingsmusik im Ohr steige ich kontinuierlich ohne anzuhalten bis zur Scharte, auf der noch reichlich Altschnee liegt.
Blick zum Hochfeiler, Erfrischung im Schnee an der Gliderscharte
Nach einer kurzen Pause müssen 1.500 Meter im Abstieg bewältigt werden. Auf der oberen Engbergalm legen wir eine Rast ein.
Engbergalm
Lara mit Blumenschmuck, Jana und Patrick
Oberhalb von Pfunders machen wir uns Gedanken zu einer geeigneten Unterkunft, immerhin sind wir heute zu siebt unterwegs. Wir rufen im Gasthof Brugger an und haben Glück. Ein Vierbett- und ein Dreibettzimmer stehen noch zur Verfügung. Im Gasthof Brugger relativiert sich unser Glück. Das sehr kleine Vierbettzimmer unter dem Dach ist sehr eng. Was soll’s, wir nutzen das Zimmer ja nur zum Schlafen. Auf der sonnigen Terrasse kompensieren wir erst einmal den Flüssigkeitsverlust.
Nachdem wir kultiviert sind, laufen wir in den Ortskern und decken uns mit Obst, Getränken und Süßigkeiten ein. Patrick spendiert eine Runde Eis und ich gönne mir anschließend in der Bar einen Espresso.
An der Kirche gibt es wie in vielen italienischen Ortschaften einen sehr gepflegten Friedhof.
Es ist unser letzter gemeinsamer Abend und bei angenehmen Temperaturen können wir das Abendessen im Freien einnehmen. Natürlich brauchen wir noch ein Gruppenfoto als Erinnerung für die gemeinsame Zeit:
Die erste Flasche Rotwein (Lagrein 2012) schmeckt noch sehr gut, die zweite Flasche (2013er Jahrgang) gar nicht. Auch die Schnäpse sind enttäuschend. Zur Entspannung spielen wir noch ein paar Runden Karten und kurz vor 24 Uhr geht es ins Bett. Inzwischen hat es wieder einmal angefangen zu regnen und wir müssen das kleine Dachfenster ganz schließen und das bei vier Männern in einem kleinen Zimmer.
Samstag, 26. Juli 2014 – 15. Tag
Der akute Sauerstoffmangel wirft mich bereits vor 6 Uhr aus dem Bett und ich tanke im Freien frische Luft. Frühstück gibt es leider erst ab 7:30 Uhr, aber dieses ist wider Erwarten sehr umfangreich und vielfältig. Nach dem Bezahlen (auch in dieser Unterkunft wieder ohne Anmeldung und ohne Rechnung) verabschieden wir uns von Patrick und André, die leider keinen Urlaub mehr haben. Auch Lara und Eva haben entschieden einen Ruhetag einzulegen, da die Schmerzen in Eva’s Fuß nicht besser geworden sind.So wie es aussieht, sind Alex und ich wieder die Einzigen, die nicht mit dem Bus nach Niedervintl (755 m) fahren. Die ersten vier von mehr als zehn Kilometern verlaufen auf der Teerstraße und einige Male müssen wir uns an die Wand bzw. die Leitplanke quetschen, um nicht von den Fahrzeugen überfahren zu werden. Nach ca. 40 Minuten folgen wir einem schönen Weg talauswärts und bereits nach knapp zwei Stunden unterqueren wir die Pustertaler Staatsstraße. Der Schnitt von 6 km/h kann sich sehen lassen.
Ohne Pause steigen wir über Forst- und Waldwege die 1.100 Höhenmeter zur Roner Hütte (1.832 m) auf. Vor der Hütte sitzen einige Busfahrer, die ebenfalls im Gasthof Brugger übernachtet haben. Es ist nicht gerade warm und stark bewölkt. Wir bevorzugen daher die Pause in der Hütte einzulegen, in der es sich Jana bereits gemütlich gemacht hat. Gegen 13 Uhr fängt es an zu regnen und dieser Regen wird uns auch noch auf dem verbleibenden Weg begleiten. Jana geht inzwischen weiter, während wir eine ausgiebige Rast einlegen und uns mit Suppe, Radler und Kuchen stärken.
Bis zum Tagesziel sind es laut Wanderführer noch 100 Minuten. Der Rucksack bekommt wieder seine Regenhülle und mit Regenjacke und Regenschirm packen wir die letzte Etappe an. Das Laufen mit Regenschirm hat sich hervorragend bewährt. Da ich den Schirm am Rucksack befestige, habe ich die Hände für die Bergstöcke frei. Die Rucksack Halterung selbst muss ich noch etwas optimieren. Gegen 15:30 Uhr erreichen wir die schön gelegene Kreuzwiesen Alm auf 1.925m.
Besonders positiv zu erwähnen ist die mit einem Holzofen beheizte Sauna in einem kleinen Häuschen neben der Hütte. Dieses Vergnügen für 5 Euro darf ich mir nicht entgehen lassen. Der Ruheraum ist sehr klein, aber erstaunlicherweise nimmt kaum jemand dieses traumhafte Angebot in Anspruch. Nach dem Saunagang wartet dann noch ein Teich auf eine Abkühlung.
Das urige Matratzenlager befindet sich in einem Nebengebäude unter dem Dach und ist glücklicherweise nur halb belegt.
Sonntag, 27. Juli 2014 – 16. Tag
Jana legt auf der Kreuzwiesen Alm einen Ruhetag ein. Von der „Kerntruppe“ sind jetzt nur noch Alex und ich übrig geblieben. Werden wir in den nächsten beiden Wochen nochmals auf bekannte Gesichter treffen? Die Handy Nummern haben wir ausgetauscht, so dass wir zumindest über SMS in Kontakt bleiben können.Eigentlich steht an diesem Tag eine der landschaftlich schönsten Etappen an. Nein, es regnet ausnahmsweise nicht, aber es ist stark bewölkt und die Sicht sehr eingeschränkt. Im Norden sollten die Zillertaler und Stubaier Alpen in voller Pracht zu sehen sein und im Süden die Dolomiten. Wir können das Bergpanorama nur erahnen. Diese Etappe werde ich auf jeden Fall noch einmal bei schönem Wetter wiederholen.
An einer Alm treffen wir Karin, Peter und andere, die dort im Heu übernachtet haben. Vorbei geht es am Glittner See (2.151 m), der mit einer Überraschung aufwartet:
Glittner See, im Hintergrund der Peitlerkofel
Vorbei an der Turnaretscher Hütte (privat, keine Einkehr möglich) geht es weiter zum Lüsner Joch und zur nagelneuen Maurerberghütte (2.157 m), die sich für die vorgezogene Mittagspause anbietet.
Am Würzjoch treffen wir wieder auf die Zivilisation mit Autos, Motorrädern und Touristen. Wir werfen nur einen kurzen Blick in den Wanderführer bevor wir die letzten knapp zwei Stunden über die Peitlerscharte zur Schlüterhütte in Angriff nehmen.
Peitlerkofel 2.875 m
Schlüterhütte 2.301 m
Die Schlüterhütte bietet 90 Schlafplätze. Umso überraschter sind wir, dass es nur noch einen freien Schlafplatz gibt. Ich überlasse das Lager Alex, mit einem Notlager kann ich gut leben. Die Dusche (5 Minuten für 2,50 Euro) ist eine Wohltat und die Zeit reicht auch, um mit warmem Wasser und Shampoo wieder einmal T-Shirts und Socken zu waschen. Zum Glück trocknet Funktionswäsche sehr schnell.
Am Spätnachmittag teilt mir der Hüttenwirt mit, dass nicht alle angemeldeten Gäste kommen werden und ich erhalte ein reguläres Lager, das ich natürlich auch gerne in Anspruch nehme. In der Schlüter Hütte treffen wir wieder einmal auf den DAV Summit Club. München-Venedig kann man auch für ca. 3.200 Euro als geführte Wandertour buchen – mit bis zu 14 Gleichgesinnten. Allerdings weicht der Weg des Öfteren von der „offiziellen“ Route ab und manche Strecken werden mit Bus und Bahn zurückgelegt. Dafür gibt es den Luxus des Gepäcktransportes. Jeder wie er mag.
Für den nächsten Tag steht eine kurze Etappe an, laut Wanderführer sind es nur 5 Stunden. Das ist mir zu wenig und da ich die Strecke vor einigen Jahren schon einmal gegangen bin, möchte ich noch bis zur Pisciadù Hütte. Allerdings heißt das auch, so früh wie möglich losgehen.
Montag, 28. Juli 2014 – 17. Tag
Der Wecker wirft uns um 5:30 Uhr aus dem Lager. Im Dunkeln schleichen wir uns aus dem Zimmer, kultivieren uns im Waschraum und packen den Rucksack. Es ist 6 Uhr und wir wollen gerade starten, als es wieder einmal das Regnen anfängt. Naja, inzwischen hat man sich an die Prozedur gewöhnt, verpackt den Rucksack wasser-dicht und zieht die Regenhose an.Nach 45 Minuten erreichen wir die kleine Medalges Alm, die wir als Frühstücksziel auserkoren haben. Auf dieser einfachen Alm mit Petroleum Lampen kann man auch übernachten und ist durchaus eine Empfehlung wert.
Medalges Alm 2.300 m
An der Roa-Scharte muss man sich entscheiden. Entweder geht man über einen Klettersteig auf die Nives-Scharte (2.720 m) oder nimmt die längere Umgehung über das Val della Roa in Kauf. Inzwischen hat sich das Wetter gebessert und ich bevorzuge die anspruchsvollere Variante über die Nives-Scharte. Der Klettersteig lässt sich auch ohne Klettersteigausrüstung gut begehen. Erst kurz vor dem höchsten Punkte treffen wir auf ein Altschneefeld.
Immer wieder sehen wir am Wegesrand Edelweiß und eine große Herde Gämsen ist auch schon früh unterwegs.
In einer weiteren Stunde erreichen wir um 10:15 Uhr die Puezhütte – laut Wanderführer das heutige Etappenziel. Klar, dass wir nach einer Pause noch weitergehen. Oberhalb des Grödnerjochs legen wir in der Jimmy Hütte unsere Mittagspause ein. Das Essen ist ausgezeichnet, wenn auch etwas teurer. Hier spürt man den Einfluss des Wintertourismus.
In wenigen Minuten erreichen wir das Grödnerjoch. Hier könnte man übernachten. Aber direkt an der viel befahrenen Passstraße? Nein, danke. Alex braucht noch Briefmarken und bevor wir weitergehen, dürfen wir wieder auf Regen umrüsten. Der Aufstieg zur Pisciadù Hütte durch das Val Setus bei Regen macht nicht wirklich Spaß, zumal die letzten ca. 100 Höhenmeter mit Stahlseilen versichert sind und volle Konzentration erfordern.
Pisciadù Hütte 2.587 m mit gleichnamigen See
Gastraum und Schlafraum
In der Pisciadù Hütte oberhalb des gleichnamigen Sees beziehen wir ein altes Lager mit 9 Doppelstockbetten und durchgelegenen Matratzen. Auch die sanitären Einrichtungen auf dieser Hütte lassen zu wünschen übrig. Es sind nur wenige Übernachtungsgäste in der Hütte. Gegen Abend wird im Vorraum ein gasbetriebener Trockner angestellt. So besteht zumindest eine kleine Chance, dass die Schuhe und Kleidungsstücke wieder trocken werden. Alex hat heute Geburtstag und wir lassen uns den einen oder anderen Grappa schmecken.
Die Wetteraussichten für den nächsten Tag sind ganz mies. Meine ursprüngliche Idee auf dem Gipfel des Piz Boé in der Capanna Fassa zu übernachten, verwerfe ich. Ohne Sicht lohnt sich der Aufstieg nicht. Ausnahmsweise bin ich heute müde und verkrieche mich kurz nach 21 Uhr im Schlafsack.
Dienstag, 29. Juli 2014 – 18. Tag
In der Nacht hat es kräftig geregnet und gestürmt. Natürlich bin ich wieder früh wach. Mein Frühstück besteht heute nur aus einem Stück Apfelstrudel und einem Cappuccino und kurz nach 7:30 Uhr starten wir zur Überquerung des Sella Stocks.Höchster Punkt der München-Venedig Wanderung: 2.962 m
Nach dem Abstieg vom höchsten Punkt der Wanderung gibt es zwei Alternativen die Boé Hütte zu erreichen. Entweder wieder aufsteigen oder über den Coburger Weg auf gleicher Höhe bleibend zur Hütte queren. Allerdings handelt es sich um einen Klettersteig mit bemerkenswerten Tiefblicken. Alex zögert erst und will nach den ersten Seilen umkehren, meistert die kleine Kletterei aber dann ohne Probleme.
Alex auf den letzten Metern des Klettersteigs im Nebel
Die Boé Hütte lassen wir rechts liegen und gehen weiter zur Pordoi Scharte. Immer wieder müssen Schneefelder überquert werden. Da die Oberfläche nicht gefroren ist, stellt dies keine Probleme dar. Eine Überraschung erwartet uns am Rifugio Forcella Pordoi:
Der Abstieg durch die Pordoi Scharte führt durch einen Tunnel im Altschnee. Zuvor gönnen wir uns in der Hütte erst einmal ein zweites Frühstück.
Die Pordoi Scharte eignet sich an manchen Stellen zum „Abfahren“ im Geröll. Ein Genuss, vorausgesetzt man hat darin Übung. Alex stürzt, zieht sich aber nur eine leichte Abschürfung zu. Ähnlich wie das Grödnerjoch lädt auch das Pordoi-Joch nicht zum Verweilen ein und wir gehen weiter Richtung Fedaia See. Wir erreichen den Bindel-Weg, ein Höhenweg mit herrlicher Aussicht auf die Marmolada, der Königin der Dolomiten. Nur Schade, dass wir die Marmolada kein einziges Mal sehen werden.
Tagesziel wäre heute eigentlich das Rifugio Viel dal Pan (2.436 m). Die Hütte ist recht neu, aber wir wollen trotzdem nicht bleiben und beschließen, noch bis zum Fedaia See abzusteigen und uns eine Hotel Übernachtung im Dolomia zu gönnen. Diese Entscheidung werden wir nicht bereuen. Wir bekommen ein schönes Zimmer mit sauberem Bad und die heiße Dusche lässt die Strapazen des Tages schnell vergessen. Heute ist Großwaschtag. Hoffentlich werden die Kleidungsstücke über Nacht wieder trocken.
Hotel Rifugia Dolomia am Passo Fedaia
Um 19 Uhr genießen wir ein leckeres Abendessen mit Vorspeise, Salatbüffet, Hauptspeise und Nachspeise (Pana Cotta). Dazu gönne ich mir eine Flasche Lagrein Dunkel – dürfte auf meiner Reise der beste Rotwein gewesen sein.
Mittwoch, 30. Juli 2014 – 19. Tag
Um 3:40 Uhr bin ich wach. Sind die zwei Kaffee von gestern Abend Schuld? Ich schlafe noch einmal ein, aber kurz nach 6 Uhr habe ich endgültig ausgeschlafen. Es regnet. Das Frühstück um 7:30 Uhr ist gut, allerdings hätte ich mir einmal ein Ei gewünscht. Wie schon gewohnt, geht es mit Regenausrüstung auf den Weg. Zuerst auf der Teerstraße am Stausee entlang und dann der lange, furchtbare Abstieg über die Skipiste.Gegen 13 Uhr erreichen wir Alleghe und oh Wunder, die Sonne kommt heraus. Die Temperaturen sind so angenehm, dass wir im Zentrum im Freien sitzen können und eine leckere Pizza essen. Vor uns angekommen sind zwei Männer, denen ich am Vortag das Hotel Dolomia empfohlen hatte. Sie haben sich einen Teil des Abstiegs im Regen geschenkt und sind mit dem Bus gefahren. In Alleghe haben Sie bereits ein Hotel bezogen, das sie uns auch empfehlen. Warum sollten wir dieser Empfehlung nicht folgen?
Für den nächsten Tag steht der Aufstieg zum Rifugio Tissi an. Laut Wanderführer nur 3:15 Stunden (allerdings mit Seilbahnunterstützung). Was sollen wir so früh auf der Hütte? Weitergehen zur nächsten Hütte? Nein, ich kenne das Rifugio Tissi und möchte auf jeden Fall dort übernachten. Ich schlage Alex vor, noch heute aufzusteigen. Es ist noch früh am Tag, das Wetter hat sich gebessert und die Gewitterneigung ist gering. Alex ist einverstanden. Im Supermarkt an der Kirche kaufe ich Mineralwasser für den Aufstieg und um 14:20 Uhr geht es los. Wir gehen den „verbotenen“ Weg, der von Alleghe sehr steil bergauf führt. Für die 1.300 Höhenmeter brauchen wir lediglich 2:45 Stunden.
Pause vor dem Schlussanstieg zum Rifugio Tissi
Rifugio Tissi 2.260 m
Eine Übernachtung auf dem Rifugio Tissi kann ich nur empfehlen. Die Hütte selbst ist eher einfach ausgestattet, es gibt aber zumindest eine heiße Dusche. Die Hütten Crew ist sehr freundlich und mit ein paar Brocken Italienisch und Englisch kommt man gut zurecht. Was die Hütte so genial macht sind die Aussichten auf die Civetta Nordwand und die Tiefblicke nach Alleghe.
Civetta 3.220 m
Kurz vor der Hüttenruhe entdecken wir die selbst angesetzten Schnäpse, Grappa frutta genannt. An der Theke lassen wir uns die verschiedenen Geschmacksrichtungen munden. Selbst die Bedienung hat Spaß daran. Mein Favorit ist Nocciola (Haselnuss Schnaps).
Donnerstag, 31. Juli 2014 – 20. Tag
In der Nacht hat es wieder geregnet. Erst gegen 7 Uhr hört der Regen auf. In wenigen Minuten steigen wir auf zum Gipfelkreuz. Hier fällt die Wand senkrecht ab und die Sicht nach Alleghe ist atemberaubend.Gemütlich geht es heute weiter zum Rifugio Vazzoler. Zeit für ein Stück Kuchen und einen Cappuccino. Die Hütte selbst ist nicht empfehlenswert. Den Eindruck hatte ich schon in früheren Jahren gewonnen und das wurde mir auch von Wanderern bestätigt, die auf der Hütte übernachtet haben.
Kurz vor 14 Uhr erreichen wir das Rifugio Carestiato in herrlicher Lage. Ich werde hier Lager beziehen. Alex muss noch zum Passo Duran absteigen. Warum? Ein krönender Abschluss der Dolomiten stellt der Klettersteig über die Schiara dar. Allerdings braucht man dafür eine Klettersteigausrüstung, die ich vor meiner Reise an den Passo Duran geschickt habe. Alex wollte die Schiara eigentlich umgehen, hat aber jetzt vor, sich mir anzuschließen. Mir ist bekannt, dass man im Rifugio San Sebastian am Passo Duran ein Klettersteigset ausleihen kann – vorausgesetzt man übernachtet auch dort. Ich bevorzuge allerdings das neu gebaute Rifugio Carestiato und daher trennen uns kurzfristig die Wege. Ich werde morgen ohne Frühstück absteigen und am Passo Duran wieder auf Alex treffen.
Rifugio Carestiato 1.834 m
Ich genieße den Aufenthalt im Rifugio Carestiato bei gutem Essen und kann mich an dem Naturschauspiel der untergehenden Sonne nicht satt sehen.
Freitag, 1. August 2014 – 21. Tag
Um 6 Uhr starte ich ohne Frühstück und bin um 6:45 Uhr am Passo Duran. Die Hütte ist noch geschlossen und erst 7:15 Uhr kommt Leben in das Rifugio. Ich bestelle einen Apfelstrudel und einen Cappuccino und frage nach meinem Klettersteigset. Der Hüttenwirt teilt mir mit, dass kein Paket mit meinem Namen angekommen ist. Auch eine telefonische Rückfrage Tal verläuft negativ. Mir wird abwechselnd heiß und kalt. Was tun? Ich bezahle und verlasse die Hütte. Warum ist eigentlich Alex nirgends zu sehen? Vor der Hütte trifft mich die Erleuchtung wie ein Blitz. Ich stehe vor dem Rifugio Passo Duran, nicht dem Rifugio San Sebastian, das sich 100 Meter unterhalb befindet. Das Schlimme daran: ich war schon zwei Mal am Passo Duran und hätte es eigentlich wissen müssen. Mit Verspätung komme ich bei Alex an und auch mein Klettersteigset ist da. Ich trinke noch einen Cappuccino, kaufe mir Wasser für den Rucksack und gebe dem Wirt ein Trinkgeld für diesen tollen Service.Mit der nicht geplanten Verspätung starten wir unsere heutige Etappe, die mit acht Stunden angegeben ist. An der aufgelassenen Alm Malga Moschesin gibt es einen Brunnen mit Trinkwasser, den wir gerne zur Erfrischung nutzen. Kurz nach 12 Uhr kommen wir zu einem Abzweig. Links führt der Weg zum schon sichtbaren Rifugio Sommariva al Pramperet. Wir aber gehen rechts weiter und steigen zur Forcella de Zita Sud (2.402 m) auf. Das Wetter ist nicht schlecht, aber leider geben die Wolken den Blick auf die Schiara nicht frei. Dafür sehen wir Murmeltiere am Weg.
Es folgen fast 800 Höhenmeter Abstieg zum Rifugio Pian de Fontana (1.632 m), einer ehemaligen Senner-Alm. Diese einfache Unterkunft hat wirklich Flair und ich fühle mich richtig wohl. Im Wanderführer heißt es: „oft keine Dusche wegen Wassermangels“. Es mag an einigen Dingen mangeln, in diesem Sommer aber keinesfalls an Wasser. Das Wasser wird mit Solarenergie erwärmt und obwohl die Sonne sich heute nur selten blicken ließ, war die Dusche angenehm heiß.
Rifugio Pian de Fontana 1.632 m
Einige Kleidungsstücke werden wieder einmal durch das Wasser gezogen und zum Trocknen vor die Hütte gehängt. Ich sitze auf der Terrasse, habe ausnahmsweise Hunger und bestelle mir Speck und Käse, dazu ein Viertel Rotwein – einfach köstlich. Es dürfte nicht überraschen, dass es bald wieder zu regnen anfängt. Schnell die frisch gewaschenen Klamotten in Sicherheit bringen! Mein Waschlappen dürfte heute noch an der Leine hängen …
Samstag, 2. August 2014 – 22. Tag
Die Königsetappe steht an, der Klettersteig über die Schiara. Lange vor dem Wecker um 6 Uhr bin ich schon wach, die ich am Vortag schon um 21 Uhr das Lager aufgesucht habe. Frühstück gibt es bereits um 6:30 Uhr, dadurch kommen wir schon um 7 Uhr los. Der Aufstieg beginnt erst einmal mit einem Abstieg. Über die Forcella La Varéta erreichen wir nach knapp drei Stunden die Forcella Marmol auf 2.262 m. Der Weg dahin war teilweise nicht einfach zu finden. Pfade sind zugewachsen und die Markierungen verblasst. Allzu oft wird der Klettersteig über die Schiara nicht begangen.Die Schiara 2.565 m. Der markante Einschnitt links ist die Forcella Marmol
An der Forcella Marmol heißt es Klettersteigausrüstung anlegen
Der Kletterstieg (Via Ferrata Piero Rossi) im Aufstieg ist recht kurz. Einige Seilstücke sind gerissen und wurden nicht erneuert. Den Aufstieg zum Schiara Gipfel schenken wir uns, da er in Wolken hängt und keine Aussicht zulässt. Es beginnt der lange Abstieg über den Klettersteig (Schwierigkeitsgrad C), vorbei an der Notunterkunft Bivacco al Marmol:
Bivacco al Marmol 2.266 m
Ich bin schon viele Klettersteige in allen Schwierigkeitsstufen gegangen und das Abklettern bereitet mir keine Probleme. Würde ich den Klettersteig einem München-Venedig Wanderer empfehlen, der noch nie einen Klettersteig begangen hat? Klare Antwort: nein.
Altschnee vom letzten Winter dürfte noch vor kurzem ein Problem dargestellt haben:
Um 13:15 Uhr erreichen wir das Rifugio 7° Alpini. Auch hier ist wenig los, insgesamt nur sieben Übernachtungsgäste. Gegen 16 Uhr fängt es an zu regnen und um 17 Uhr entlädt sich ein Gewitter. Den Regen drückt es durch das geschlossene (!!) Fenster und mein Rucksack wird nass.
Rifugio 7° Alpini 1.493 m
Waschraum, Etagenbetten und eine Kapelle neben der Hütte
Mit drei Italienern, die auf dem Dolomiten Höhenweg Nr. 1 unterwegs sind, verbringen wir einen netten Abend, auch wenn wir Punkt 22 Uhr den Gastraum verlassen müssen.
Sonntag, 3. August 2014 – 23. Tag
Auch hier bekommen wir schon um 6:30 Uhr Frühstück.Nach einem Gruppenfoto mit den drei Italienern steigen wir nach Belluno ab und kehren damit den Dolomiten den Rücken. Die Wanderung durch die Schlucht ist eindrucksvoll, ein sehr schöner Streckenabschnitt.
Laut Wanderführer ist am Sonntag die Touristeninfo in Belluno nicht geöffnet, wir werden aber eines Besseren belehrt: geöffnet von 9 bis 12:30 Uhr. Die nette Dame empfiehlt uns einige Bed & Breakfast Unterkünfte sowie Hotels. Eine Reservierung über die Touristeninfo ist leider nicht möglich. Wir entscheiden uns für das Centro Storico (via Torricelle 6c) und landen einen Volltreffer. Von außen sehr unscheinbar, erwartet uns innen eine herrliche Wohnung und eine überaus freundliche, Deutsch sprechende Wirtin. Sie wollte eigentlich heute keine Gäste nehmen, da sie bereits auf dem Sprung zu einem Termin ist. Wenige Minuten später hätten wir uns ein anderes Quartier suchen müssen.
Nachdem wir wieder kultiviert sind, gehen wir ins Zentrum zur Piazza V. Emanuele und lassen uns einen Eisbecher und Espresso schmecken. Wieder einmal fängt es an zu regnen und da wir den Regenschutz in der Unterkunft hängen gelassen haben, sitzen wir eine Stunde im Vorraum der Touristeninfo fest.
Das Bargeld geht aus und ich bin auf der Suche nach einem Geldautomat. Der erste Geldautomat will meine Karte nicht und der zweite weigert sich 500 Euro auszuspucken. Ich reduziere den Betrag auf 250 Euro und der Geldautomat erbarmt sich. Mit einer zweiten Bankkarte hebe ich nochmals 250 Euro ab.
Am Abend suchen wir ein Restaurant. Die beiden Empfehlungen haben geschlossen (Sonntag) und wir erkunden die Stadt. Im Zentrum findet ein Fest statt. Die Essensstände können uns nicht wirklich begeistern. Erst nach längerem Suchen finden wir die gute Pizzeria „La Buca“, in der es dunkles Mönchshof Bier vom Fass gibt! Auf dem Rückweg zur Unterkunft trinken wir in der Bar Opera noch einen Absacker.
Montag, 4. August 2014 – 24. Tag
Auch heute bin ich wieder vor 6 Uhr wach, Frühstück gibt es aber erst um 8 Uhr. Um 7:30 Uhr sehe ich nach und tatsächlich ist schon eingedeckt. Was für ein Frühstück!Einfach eine top Adresse und das für 30 Euro pro Person.
Von der Terrasse sehen wir schon das heutige Tagesziel, den Col Visentin mit dem gleichnamigen Rifugio auf dem Gipfel.
Um 8:25 startet das Abenteuer italienische Post. Ich will meine Klettersteigausrüstung und ein paar Kleidungsstücke zurückschicken, Alex sein Kartenmaterial und nicht mehr benötigte Kleidung. Wir ziehen ein Bilgetti im Warteraum und eigentlich sind nur zwei Personen vor uns. Die Dame am Schalter spricht nur Italienisch. Ein freundlicher, Deutsch sprechender Kunde hilft uns mit der Übersetzung. Wir brauchen zum Verpacken einen Karton und der größte Karton, den es im Postamt gibt, besitzt die Größe 39 x 27 x 17 cm. Hier passt nicht einmal der Helm richtig rein. Beim Reinquetschen reißt der Karton auf und die freundliche Dame klebt den Karton mit reichlich Packband zu.
Ich zahle 19 Euro für das Paket und 3 Euro für den Karton. Wird das Paket zu Hause ankommen? Um die Antwort vorweg zu nehmen: ja, das Paket ist angekommen und sogar schneller als erwartet. Ein Wunder bei dem Transportmittel …
Nach einer Stunde haben wir es geschafft und verlassen das Postamt.
Schönes Wetter begleitet uns heute auf dem Weg. Die erste Stunde sind wir auf Teerstraßen unterwegs. Der Ausblick entschädigt aber für den unattraktiven Weg:
Nach den Ortschaften Castion und Caleipo verlassen wir die Straße und sind überraschenderweise auf wunderschönen Waldwegen unterwegs. Nach drei Stunden erreichen wir den Parkplatz in Nevegal. Die Hotels sind geschlossen, Hochbetrieb herrscht hier nur im Winter. Eine Bar lädt zum Verweilen ein, wir gehen aber weiter zur Bar La Crava.
Mit Englisch kommt man hier nicht weiter, aber mit ein paar Brocken Italienisch erhalten wir etwas zu trinken und sehr leckere Pasta mit Thunfisch. Die überaus freundliche Wirtin spendiert uns nach dem Bezahlen noch einen Grappa.
Weitere gut 1,5 Stunden brauchen wir zum Col Visentin. Der Gipfel bricht unter den unzähligen Antennen fast zusammen. Das Rifugio selbst ist die schlechteste Hütte, auf der ich je in meinem Leben übernachtet habe. Eine Sanierung ist schon Jahre (oder Jahrzehnte?) überfällig. Es handelt sich um eine Privathütte und bei den wenigen Gästen scheint kein Geld für Renovierungsarbeiten übrig zu bleiben. Die Dusche ist nicht einladend, ich nutze sie trotzdem.
Das Gebäude im Vordergrund ist nicht das Rifugio Col Visentin, die Hütte befindet sich dahinter (rechtes Bild)
Wir haben noch „Glück“. Unser Lager besitzt zumindest eine Tür ins Freie und sorgt in der Nacht für Frischluft. Das große Lager besitzt keine Fenster und Türen und Jana wird uns später berichten, dass die Matratzen feucht waren.
Die Aussicht vom Col Visentin ist allerdings bei guter Sicht phänomenal. Auch heute können wir die Sicht nur sehr eingeschränkt genießen. Schlechtes Wetter hat aber auch Vorteile und zaubert wunderbare Abendstimmungen in den Himmel:
Die Minestrone schmeckt nicht, die Tagliatelle sind verkocht und die Funghi haben keinen Geschmack. Auch der Vino della casa und der Grappa wollen nicht munden. Auf dieser Hütte werden wir sicherlich nicht frühstücken.
Dienstag, 5. August 2014 – 25. Tag
Aufstehen um 5:30 Uhr und schnell weg. Die nächste Hütte ist zwei Stunden entfernt und das Frühstück muss noch etwas warten. Leider ist es vollständig bewölkt und es bläst ein kalter Wind. Warum habe ich eigentlich die Mütze und die Handschuhe schon nach Hause geschickt?Das Rifugio Pian de le Femene auf 1.120 m Höhe erreichen wir kurz nach 8 Uhr. Zum Frühstück bekommen wir warmen Kuchen und Speck mit Eiern. Dazu ein Latte Macchiato und zum Abschluss noch einen Espresso. Die Verlagerung des Frühstücks hat sich gelohnt. In diesem kleinen Rifugio kann man auch übernachten, man sollte vorher aber unbedingt anrufen.
Über Revine (kurze Trinkpause in der Bar Centrale) geht es weiter nach Tarzo, das wir schon kurz vor 12 Uhr erreichen. Die Pizzeria (wird im Wanderführer empfohlen) hat heute Ruhetag. Quartier beziehen wir im Albergo Ai Pini, einer alten Villa im venezianischen Stil. Eine sehr empfehlenswerte Unterkunft mit herrlichem Zimmer und tollem Ambiente.
Uns gelüstet nach einem Eis und in der Gelateria Michelon werden wir fündig. Nach einem kleinen Spaziergang durch das Dorf setzen wir uns auf die Terrasse des Albergo Ai Pini. Unter einem Dach aus Kiwis lasse ich mir das Bier schmecken. Eigentlich hat auch das Albergo heute Ruhetag, aber auf Rückfrage erfahre ich, dass dies nicht für die Hauptsaison gilt. Das Abendessen ist hervorragend.
Mittwoch, 6. August 2014 – 26. Tag
Das Frühstück im Albergo Ai Pini fällt etwas dürftig aus. Da ich nicht viel esse, reicht es aber aus. Kurz nach 8 Uhr starten wir die Etappe durch die Weinberge. In Avvanta trennen sich kurz unsere Wege, da Alex sein Klettersteigset abgeben muss. Wir vereinbaren als Treffpunkt die alte Mühle (Molinetto Della Croda). Unterwegs sind immer wieder Hänge abgerutscht und Straßen unterspült. Einige Straßen sind gesperrt. Von einer Deutschen, die hier ihren Sommer verbringt, erfahre ich, dass es am letzten Samstag ein sehr schweres Unwetter gegeben hat. Innerhalb von zwei Stunden sind 65 Liter pro m² Regen gefallen, in der Nacht nochmals 35 l/m². An der Mühle hat es sogar vier Tote gegeben. An der Mühle angekommen bekomme ich ein beklemmendes Gefühl bei dem Anblick der Zerstörungen, die die Wassermassen angerichtet haben. Die einzige Straße aus dem Tal heraus ist gesperrt – auch für Fußgänger. Nachdem Alex wieder zu mir gestoßen ist, suchen wir einen alternativen Weg und werden fündig. Wir müssen wieder aufsteigen und kommen am Bivacco Marsini vorbei. Auf einem Höhenweg gelangen wir über Umwege doch noch nach Refrontolo, wenn auch mit erheblicher, nicht geplanter Verspätung.In der ersten Bar, die wir entdecken, essen wir Pasta und kompensieren den Flüssigkeitsverlust. Der Weg ist noch weit! In Collato legen wir in der Trattoria alla Torre Vecchia eine kurze Trinkpause ein. Die Bedienung ist sehr unfreundlich und als einzige Gäste kamen wir ungelegen.
Erst nach mehr als 10 Stunden erreichen wir unser heutiges Etappenziel: Ponte della Prulia. An das 2 Sterne Hotel S. Carlo hatte ich eine Reservierungsanfrage geschickt, aber keine Antwort bekommen. Wir bekommen trotzdem ein Zimmer. Auch in der einzigen Unterkunft am Ort sind nur wenige Gäste einquartiert.
Nach dem Duschen gehen wir in die Pizzeria kurz vor der Brücke. Das scheint die einzig empfehlenswerte Nahrungsquelle in Ponte della Prulia zu sein. Leider liegt das Restaurant genau wie das Hotel direkt an der sehr stark befahrenen Durchgangsstraße. Wir treffen zwei München-Venedig Wanderer (Doro und Michael), die wir schon ein paar Mal gesehen haben. Auf dem Rückweg halten wir noch in einer Gelateria und in der Bar dem Hotel gegenüber trinken wir noch einen Absacker. Der freundliche Wirt spendiert uns noch einen von der Mama selbst gemachten Lakritz Schnaps. Ekelhaft.
Donnerstag, 7. August 2014 – 27. Tag
Die Zirren am Vortag ließen schon erahnen, dass das Wetter heute nicht ganz so gut werden wird. Nach dem Frühstück in einer Pasticceria (im Hotel gibt es kein Frühstück) und dem Kauf von Obst und Getränken im Supermarkt (öffnet erst um 8:30 Uhr) starten wir zu einer unattraktiven Strecke. Das Wetter bessert sich und gegen Mittag ist es wieder sonnig. Kurz nach 12 Uhr sind wir in Candelù. Obwohl im Führer nicht angegeben, gibt es hier eine Bar, einen Supermarkt und eine Farmacia. Unser Tagesziel San Bartolomeo und dort das Hotel Colombo erreichen wir kurz nach 14 Uhr. Wie kann sich ein 110 Betten Hotel in diesem Kaff zu halten? Wir scheinen die einzigen Übernachtungsgäste zu sein. Das Abendessen im Freien war lecker. Zuerst als Antipasti Jakobsmuscheln, anschließend Pasta mit Scampi folgt als Hauptspeise der Seeteufel. Dazu passend für die Gegend ein Prosecco.Freitag, 8. August 2014 – 28. Tag
Der Wecker klingelt um 5:30 Uhr. Ich habe nicht gut geschlafen. Schuld daran waren die Kirchenglocke zu jeder Stunde und lästige Mücken im Zimmer. Nach dem Frühstück um 6 Uhr kommen wir um 6:40 Uhr los. Laut Wanderführer steht heute die längste Etappe mit 36 km an. Keine Wolke trübt den Himmel und es werden 30 Grad erwartet. Endlich! Leider sind wir auf vielen Teerstraßen unterwegs und der Weg bietet kaum Abwechslung. Nicht im Rother Wanderführer vermerkt sind die Einkaufsmöglichkeiten in Zenson di Piave. In Caposile gibt es gegenüber der Brücke (kleiner Umweg) die Bar Alla Cacciatora mit Münchner Löwenbräu vom Fass.Die im Führer erwähnte Bar Pizzeria Locanda alla Valle scheint schon länger geschlossen zu sein. Das Hotel Udinese in Jesolo erreichen wir um 16 Uhr. Über HRS habe ich zwischenzeitlich ein Hotel für zwei Nächte in Venedig gebucht. Nach dem Duschen unternehmen wir noch einen Ausflug nach Lido di Jesolo und befinden uns erstmalig am Meer.
Natürlich ist Lido di Jesolo um diese Jahreszeit von Touristen übervölkert. In den quirligen Straßen suchen wir ein Lokal und werden in der Pizzeria „Da Mario“ fündig. Jeden Tag habe ich in den vergangenen Wochen ein großes Bier bestellt, heute erhalte ich erstmalig auch ein großes: einen Liter Löwenbräu.
Auch das Udinese Hotel scheint an diesem Tag nur vier Gäste zu haben. Eine Klimaanlage gibt es nicht, die Nacht ist heiß. Der Ventilator, der die ganze Nacht läuft, bläst die warme Luft nur von der einen auf die andere Seite.
Samstag, 9. August 2014 – 29. Tag
Start zur letzten Etappe und dem krönenden Abschluss! Die ersten beiden Stunden wandern wir am Piave entlang. Es gibt kaum Schatten, aber die Sonne steht noch nicht hoch und das Laufen empfinde ich als sehr angenehm. Ab der großen Autobrücke bewegen wir uns nur noch auf Asphalt. Es gibt eine alternative Route an der Lagune entlang, aber wir gehen die kürzeste Variante nach Punta Sabbioni. Der Abstecher an das Meer ist eine Wohltat.Die Fußsohlen brennen und monoton setze ich einen Fuß vor den anderen. Gegen 13 Uhr erreichen wir die Bootsanlegestelle in Punta Sabbioni. Mit der nächsten Fähre um 13:30 Uhr fahren wir nach Venedig und natürlich geht es direkt zum Markusplatz. Das große Ziel ist erreicht. Besonders stolz bin ich darauf, dass ich (von der Bootsfahrt abgesehen) jeden Meter zu Fuß zurückgelegt habe. Für mich stand schon zu Beginn fest: wenn ich den Markusplatz erreiche, trinke ich im Caffé Florian einen Espresso und trinke ein Bier – egal was es kostet.
Espresso und Bier direkt am Markusplatz
Espresso für 6,50 Euro und ein kleines Bier für 13 Uhr - und die Musik kostet 6 Euro extra!
Ich habe mein Bier noch nicht leer getrunken, als uns ein Gewitterschauer vertreibt. Im Regen am Marienplatz gestartet, laufen wir im Regen in das Hotel Ca d’Oro. Nach dem Duschen erkunden wir die Stadt und suchen ein geeignetes Restaurant für den Abend. Das erweist sich als gar nicht so einfach. Venedig ist absolut überteuert. Letztendlich landen wir in einem durchschnittlichen Lokal.
Sonntag, 10. August 2014 – 30. Tag
Ich will mich heute in der Stadt treiben lassen und kaufe mir ein 24 Stundenticket für den Bootsverkehr. Dem Canal Grande folgend fahre ich bis zu den Kreuzfahrtschiffen und zurück an der Insel La Guidecca vorbei zum Markusplatz. Alex war noch nicht in Venedig und ich empfehle ihm die Inseln Murano und Burano.Die Rialto Brücke
Überraschenderweise meldet sich Jana per SMS, dass sie heute nach Venedig kommt. Ich hole sie an der Anlegestelle ab und helfe ihr bei der Zimmersuche. Sie checkt ein und anschließend trinken wir ein Bier in einer Bar um die Ecke. Für den Abend verabreden wir uns, um den Sonnenuntergang auf dem Campanile di San Marco zu erleben und anschließend gemeinsam essen zu gehen.
Blick vom Campanile di San Marco auf den Markusplatz
Blick aug die Insel Saint Giorgio Maggiore
Leckerer Vorspeisenteller – allerdings mit 70 Euro kein Schnäppchen
Montag, 11. August 2014 – 31.Tag
Heute steht nur noch die Rückreise an. Vom Hotel sind wir in 20 Minuten an den Bahnhof gelaufen und sind viel zu früh da – drei Stunden vor der Abfahrt. Ich hatte keine Lust mehr etwas zu unternehmen. Pünktlich um 13:35 Uhr fährt der Zug los und knapp zehn Stunden später komme ich in Aschaffenburg an.Ein unbeschreiblich schönes Erlebnis geht zu Ende, auch wenn das Wetter eher durchwachsen war.
Würde ich den Weg noch einmal gehen? Einzelne Etappen ja, den kompletten Weg nicht, denn es gibt auch viele weniger attraktive Strecken.
Kosten
Im Rahmen der Vorbereitung macht man sich natürlich auch Gedanken über die zu erwartenden Kosten. Ich habe nicht vor unterwegs Lebensmittel zu beschaffen und auf die Hütten zu schleppen, werde also alle Mahlzeiten und Getränke in den Hütten bzw. Gasthöfen kaufen. In meiner Hochrechnung veranschlage ich 70 Euro pro Tag und packe 2.000 Euro Bargeld ein. So viel Bargeld? Leider ja. In vielen Hütten ist nur Barzahlung möglich und Geldautomaten stehen nur in den wenigen Talorten zur Verfügung.Letztendlich habe ich 2.830 Euro ausgegeben. Darin enthalten sind aber auch die Bahnfahrten (Aschaffenburg-München und Venedig-Aschaffenburg) sowie zwei Nächte in Venedig. In den 29 Wandertagen habe ich durchschnittlich 80 Euro gebraucht.
Und wofür braucht man den Großteil des Geldes? Alle Ausgaben habe ich notiert und im Anschluss an die Reise in eine Excel Liste gepackt und jeweils einer Kategorie zugordnet: Essen, Trinken, Übernachtung, Sonstiges (Bahnfahrt, Trinkgelder, …). Das Ergebnis:
Bierpreis Statistik
Wo ist das Bier am teuersten? Eine an sich vollkommen unwichtige Information, aber irgendwie hat mich die Entwicklung der Bierpreise interessiert. Wurde nicht 0,5 Liter ausgeschenkt, wurde der Preis hochgerechnet. Das letzte Bier am Markusplatz mit 0,33 Liter Inhalt kostete umgerechnet 19,70 Euro. Die Grafik wurde bewusst bei 7 Euro gekappt!Anmerkungen:
- In Deutschland und in Österreich ist die Halbe noch eine Halbe, also 0,5 Liter und kostet unter 4 Euro.
- Sobald man die Grenze nach Italien überschreitet schrumpft die Halbe auf 0,4 Liter und kostet deutlich mehr (Preise auf 0,5 Liter hochgerechnet).
- Krönende Unverschämtheit ist das 0,33 Liter Fläschchen am Markusplatz in Venedig für 13 Euro – aber das war es mir zum Abschluss der Reise auch Wert.
- Auf italienischen Hütte kostet der halbe Liter Hauswein nicht selten weniger als die gleiche Menge an Bier!