Korsika GR20 Reisebericht
Sonntag, 10:43 Uhr, endlich geht es los. Die fehlenden Ausrüstungsgegenstände (siehe Einleitung)
kann ich verschmerzen. Dafür ist der Rücksack etwas leichter geworden. Eigentlich beginnt der GR 20 Nord in Calenzana
(275 m) mit dem Aufstieg zur Refuge d'Ortu di u Piobbu (1.570 m). Die zweite Etappe führt dann von der Piobbu zur Carrozu Hütte.
Da wir schon 2 Tage verloren haben und die unterschiedlichsten Angaben zu den Gehzeiten in den Führern und im Internet finden, beschließen wir,
die ersten beiden Etappe zu überspringen. Unsere GR 20 Tour beginnt in Bonifatu mit dem Aufstieg zur Carrozu Hütte. Das Wetter ist traumhaft schön und auf knapp 600 Metern fast zu heiß - aber das sollte sich noch ändern! Nach ca. einer Stunde erreichen wir die erste Hängebrücke. Recht wackelig und einige Bretter haben schon bessere Zeiten gesehen! |
Kurz unterhalb der Refuge de Carrozu zweigt an einem Steinhaus ein fast nicht sichtbarer Weg durch das Gebüsch in Richtung Asco ab. Die Refuge de Carrozu wäre eigentlich das Ziel der zweiten Etappe gewesen. Da wir Zeit aufholen müssen, gehen wir gleich weiter. Einige Minuten später treffen wir auf die 2. Hängebrücke, die vor einigen Jahren erneuert worden ist.
Am Lac de la Muvrella machen wir die erste Pause. Weiter geht es über die 'Osterhasenscharte' in Richtung Bocca di Stagnu. Um einen weiteren Tag zu gewinnen, beschließen wir, den alten GR 20 Weg über die alte Altore Hütte zu nehmen und den Abstieg nach Asco (Refuge di Stagnu) zu meiden. Die Sonne scheint, aber ein kalter Wind läßt uns frösteln. Nachdem wir uns wieder auf dem GR 20 von Asco kommend befinden, wird der Sturm immer stärker. Trotz schwerem Rucksack und steilem Aufstieg wird uns nicht warm.
Auf ca. 2.000 Meter beschließen wir zu
biwakieren. Zur nächsten Hütte ist es einfach zu weit. 2 Franzosen und ein Berliner Paar haben dieselbe Idee. Es ist schon nach 18 Uhr. Wir finden einen geeigneten Biwakplatz, den wir allerdings noch von Steinen befreien müssen. Die benutzen wir gleich, um eine schützende Mauer zu bauen. Es sollte sich erst in der Nacht herausstellen, dass diese fast nutzlos war. |
Kochen bei diesem Wind stellt sich als schwierig heraus. Trotzdem gelingt es uns, eine Trekking-Mahlzeit und einen Tee zuzubereiten. Kurz nach 20 Uhr ist uns so kalt, dass wir uns in die Schlafsäcke verziehen. Eine ungemütliche Nacht steht uns bevor. Der Sturm läßt uns kaum schlafen. Auch einige Regentropfen verirren sich auf unseren Gesichtern. Gegen Morgen klart es auf. Der Blick in den glasklaren Sternenhimmel läßt die Kälte und Nässe vergessen.
Ein heißer Kaffee, Fruchtschnitten, Müsli und ein Tee zum Nachspülen wecken die Lebensgeister und nach einer guten halben Stunde stehen wir schon am Col Perdu. Es beginnt einer der schwierigsten GR 20 Teile, die Durchquerung des Kessels "Cirque de la Solitude". Das Wetter ist gut und der Fels trocken und fest. Bei diesen Bedingungen kann man auf die Seilversicherungen verzichten. Nach 2 Stunden stehen wir schon in der Scharte "Bocca Minuta" und nach einer Pause beginnen wir mit dem Abstieg zur "Refuge de Tighiettu". |
Ein kurzer Blick in die Hütte mit den für die Refuges typischen Kochstellen und wir gehen weiter zu den Bergeries de Ballone:
Diese Bergeries ist bewirtet und wir genießen das kalte Bier und ein Omelette. Während der Pause nähert sich ein Gewitter und ein kräftiger Hagelschauer überzieht die Umgebung mit Hagelkörnern. Eigentlich möchten wir am nächsten Morgen auf den Paglia Orba steigen, aber dazu müßten wir heute noch auf die Mori Hütte. Das Wetter bessert sich etwas und wir verlassen die Bergeries de Ballone. Unterwegs überrascht uns noch ein kurzer Hagelschauer und kurz vor 18 Uhr erreichen wir die Mori Hütte. Alle Schlafplätze sind bereits belegt, aber der Guardian erlaubt uns, in der Küche auf dem Boden unser Nachtlager auszuschlagen. Zumindest ist es trocken hier! Die Kochstellen sind sehr begehrt und wir müssen uns noch etwas gedulden, bis wir kochen können. Dafür schmeckt uns der Rotwein vorzüglich.
Schon vor 6 Uhr brechen wir auf, um ohne Frühstück und Gepäck einen der schönsten Berge auf Korsika zu besteigen - den Paglia Orba
Einige Kletterstellen im festen Fels und das noch ohne Gepäck - welch ein Genuß! Schon bald taucht auf der gegenüberliegenden Seite das große Loch im Capu Tafunatu auf.
Nach dem Frühstück auf der Mori Hütte steigen wir ab ins Golotal. An einer der zahlreichen Gumpen kultivieren wir uns erst einmal. Knapp 2 Stunden nach der Erfrischung befinden wir uns am Col de Verghio, der einzige Punkt auf dem GR 20 Nord, der eine Straße kreuzt. Ein häßlicher Hotelbau und die Gerippe der Skilifte laden nicht zum Verweilen ein.
Obwohl wir schon fast 6 Stunden reine Gehzeit unterwegs sind, beschließen wir, weiter zu gehen. Sehr angenehm geht es auf gleicher Höhe bleibend durch einen Wald, bevor es steil über den Col de Saint Pierre zum höchsten Punkt die Bocca â Reta geht. Der Blick zurück zur Paglia Orba ist einfach umwerfend. Am traumhaft gelegenen Lac de Nino würden wir gerne biwakieren, aber dies ist (nicht nur hier) strengstens verboten.
Nach 10 Stunden reiner Gehzeit erreichen wir an diesem Tag unser Ziel, die Refuge de Manganu
.
Die Hütte ist überfüllt. Unzählige Zelte sind aufgebaut. Es erwartet uns das nächste Biwak. Die Nacht es kühl und der Biwaksack beschlägt von innen mit Wasser. Wir kommen uns am nächsten Morgen wie gebadet vor.
Ohne Frühstück steigen wir am nächsten Morgen im Schatten auf den Sattel Bréche de Capitello. Dies ist für uns der landschaftlich schönste Teil des GR 20 Nord. In der Morgensonne genießen wir unseren heißen Kaffee und den Blick auf die beiden Seen Lac de Capitello und Lac de Melo
.
Wir queren ein tückisches Schneefeld:
Leichte Kletterstellen begleiten uns auf dem Weiterweg. Immer wieder schweift unser Blick über die herrlichen Bergseen und die gigantische Felslandschaft
Nach dem Aufstieg auf den Col de Rinoso lassen wir uns nieder. Biwak- und Schlafsäcke müssen ausgepackt und in der Sonne getrocknet werden. Auf dem Kocher bereiten wir uns eine Tütensuppe zu. Nach einer Stunde Pause setzen wir die Wanderung fort und erreichen nach knapp einer Stunde unser Tagesziel, die Refuge de Pétra Piana
Zu unserer Verwunderung sind noch einige Matratzen frei und wir freuen uns schon auf eine trockene und weiche Nacht. Es ist noch früher Nachmittag und der Körper schreit nach einer Dusche.
Das Wasser ist kalt und kostet einige Überwindung, aber man fühlt sich danach einfach traumhaft. Das Dosenbier und der Rotwein schmecken. Abwechslung bekommt unser Speisenplan. Wir werden zum Spaghetti Essen eingeladen. Der Rucksack eines deutschen Ehepaars soll erleichert werden, da am nächsten Tag der Abstieg ansteht.
Nach dem landschaftlichen Höhepunkt erwartet uns am nächsten Tag die Etappe für Genießer. Unser nächstes Ziel, die Onda Hütte läßt sich über 2 Routen erreichen. Eine alpine Variante mit wenig Höhenunterschied erreicht in weniger als 3 Stunden das Ziel. Wir wählen den Weg durch das Manganello-Tal mit zahlreichen Badegumpen und vor allem der Bergeries de Tolla.
In diesem Idyll kann man sehr gut essen. Herrlich garnierter Tomatensalat, danach ein mit frischem Käse gefülltes Omelett und dazu ein süffiger Rotwein - was will man mehr? Wir können uns nur schwer losreißen, freuen uns aber schon auf unseren Badetag. Unterhalb der Brücke, die den Manganello Bach überquert, lassen wir uns auf den weißen Felsen wieder. Es kostet schon einige Überwindung, sich dem eiskalten Wasser anzuvertrauen.
Lange halten wir es in dem Naturschwimmbad nicht aus. Nach der ausgedehnten Pause steigen wir noch 1,5 Stunden durch einen Wald zur Refuge de l'Onda
Der letzte Tag unserer Wanderung beginnt mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Auch heute starten wir ohne Frühstück und packen den Kocher erst auf dem Sattel Crête de Muratello aus. Wir überlegen lange, welche der beiden Varianten wir an diesem Tag angehen. Den langen Abstieg durch das Agnone Tal mit der Möglichkeit, in den Gumpen zu baden und die sehenswerten Wasserfälle Cascade des Anglais zu besichtigen oder die alpine Variante über den Monte d'Oro. Die Sicht ist gut und wir entscheiden uns für den Aufstieg auf den Monte d'Oro. Vor dem Gifpelaufschwung lassen wir die Rucksäcke stehen und nach einigen Kletterstellen in festem Fels stehen wir auf dem Gipfel.
Die Sicht ist gigantisch, allerdings bläßt ein stürmischer, kalter Wind.
Nach 1.500 Metern anstrengendem Abstieg hat uns die Zivilisation wieder. Am Bahnhof von Vizzavona genießen wir ein großes, kaltes Bier, bevor es mit der Eisenbahn für ca. 17 Euro zurück nach Calvi geht (Fahrtzeit mehr als 3 Stunden!).
Eine wunderbare Woche geht nach einigen Anfangsschwierigkeiten zu Ende. Es verbleibt ein schöner Tag in Calvi, den wir zum Einkaufen und zum Baden im Meer nutzen. In Calvi fängt an diesem Wochenende das Jazz-Festival an. Wir genießen noch etwas die Klänge der Musik bevor es am nächsten Tag mit dem Flieger zurück nach Frankfurt geht.